Grundwasser-Untersuchungen mit gM-Textil-Passivsammler (TPS)
Mit herkömmlichen Pumpmethoden aus Grundwassermessstellen gewonnene Wasserproben zur Schadstoffbestimmung ergeben oft unklare Bilder über den Zustand des freien Porenwassers in der untersuchten Lokalität: Diese Wasserproben sind aus unterschiedlichen Strömungssträhnen zusammengesetzt, die zum einen Lokalitäten entstammen, die different sind vom Probenahmeort. Zum anderen ändert das Abpumpen die Strömungsverhältnisse im Nahbereich um die Untersuchungs-Lokalität drastisch nach Richtung und Geschwindigkeit gegenüber dem natürlichen Strömungsfeld. Das kann zur Vermischung der freien Porenwasserphase mit der Wasserphase führen, die aus den mehr oder weniger verletzten Biofilmen1) und Sackporen entstammt und die bekanntlich eine von der Porenwasserphase wesentlich differente Zusammensetzung haben kann.
Abgepumpte Grundwasserproben können somit nur undeutliche Momentaufnahmen des im Grundwasser enthaltenen Stoff-Inventars und des Stoffgehalts am Entnahmeort liefern.
Passivsammler, die so lange in der zu untersuchenden Lokalität eingesetzt werden, bis sie ins Gleichgewicht mit der vorbei- bzw. hindurchströmenden Porenwasserphase gekommen sind, können im Gegensatz dazu genaue Bilder über die Konzentration der Inhaltsstoffe im strömenden Porenwasser am Untersuchungsort liefern. Diese Untersuchungsmittel lassen sich daher vorteilhaft als Monitoring-Instrumente einsetzen, um die Entwicklung der Schadstoffbelastung in Grundwasserleitern zu überwachen.
Bei den organischen Stoffen, die in schadstoffbelasteten Grundwasserleitern vorkommen, handelt es sich aber in den meisten Fällen um Vielstoffgemische, wie z. B. Teeröle, Mineralölkohlenwasserstoffe, CKW und ihre Dechlorierungsprodukte sowie Niroaromaten mit ihren Hydrierungsprodukten. Die Gleichge-wichtseinstellung zwischen Passivsammlern und Porenwasserphase wird hierbei durch Prozesse der Verdrängungssorption gestört, die primär zur Desorption von zuvor adsorbierten Komponenten mit geringerer Sorbensaffinität führen. Diese Prozesse führen zu inakzeptabler Ausdehnung des Zeitbedarfs für die Gleichgewichtseinstellung.
Die Lösung des Problems bieten hier Adsorbens enthaltende Nicht-Gleichgewichts-Passivsammler, deren Adsorptionskapazität und Einsatzzeit derart bemessen ist, dass ihre Schadstoffbeladung weit vor der Gleichgewichtseinstellung abgebrochen wird. Damit werden Probleme der Verdrängungssorption vermieden. Im Gegensatz zu Gleichgewichts-Passivsammlern entspricht die Zusammensetzung der adsorbierten Lipophilen-Beladung von Nicht-Gleichgewichts-Passivsammlern im Idealfall genau der Lipophilen-Zusammen-setzung, die das natürlich fließende Grundwasser am Untersuchungsort enthält.
Entscheidend für die Beurteilung des Verlaufs von Grundwasserschäden ist der Gang der Schadstofffracht, die vom Grundwasser transportiert wird. Es gibt keine Möglichkeit zur direkten Bestimmung der Schadstofffracht. Unter der Voraussetzung gleicher Randbedingungen wie Untersuchungsort, Grundwasserspiegelhöhe und Grundwasser-Fließrichtung korreliert der Gang der Untersuchungs-Parameter Schadstoffinhalt in der Wasserprobe und Schadstoffbeladung im Nicht-Gleichgewichts-Passivsammler gleichartig mit dem Gang der Schadstofffracht. Von daher sind unter solchen Voraussetzungen beide Parameter vollkommen gleichwertig zur Beurteilung des Ganges der Schadstofffracht. Wegen des i. d. R. um etliche Größenordnungen höheren spezifischen Schadstoffgehaltes im Nicht-Gleichgewichts-Passivsammler im Vergleich zum spezifischen Schadstoffgehalt der Wasserprobe ergibt sich zudem der Vorteil, mit dem Passivsammler auch solche Stoffe zu ermitteln, die in der Wasserprobe wegen Unterschreitung ihrer analytischen Nachweisgrenzen nicht gefunden werden können. Zudem gibt die Konzentrationsbestimmung aus der entnommenen Wasserprobe lediglich eine Momentaufnahme dar, während die Schadstoffbeladung im Nicht-Gleichgewichts-Passivsammler den Querschnitt des Schadstoffinhalts am Untersuchungsort während mehrerer Wochen wiedergibt.
Die Anwendung von lipophilen Nicht-Gleichgewichts-Passivsammlern kann gegenüber der Wasserprobennahme als Vorteil die hohe Qualität der Ergebnisse und wesentliche wirtschaftliche Vorteile bieten. Das jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die im Folgenden aufgeführten Eigenschaften des Passivsammlers gegeben sind:
- Stabilität des Passivsammler-Materials gegen biologischen und chemischen Angriff sowohl im oxidierenden als auch reduzierenden Grundwassermilieu
- reproduzierbare gleichförmige Anordnung des Passivsammlers am Messort
- geringer hydraulischer Widerstand des Passivsammlers gegen Durchströmung
- hinreichende Stoffaufnahme-Kapazität des Passivsammlers, damit der Passivsammler als Nicht-Gleichgewichts-Passivsammler nutzbar ist
- minimierter Diffusionswiderstand um Widerstände gegen Adsorption und Desorption zu minimieren
- mechanisch-konstruktive Eigenschaften des Passivsammlers, die seine Eigenschaften auch bei Handhabe im rauhen Umfeld vor Ort unbeeinträchtigt lassen.
- Vorkehrungen, damit der beladene Passivsammler zwischen Entnahme und chemisch-physikalischer Untersuchung keinen Verlust seiner Stoffbeladung durch Desorption, Oxidation oder Reduktion erleidet
Diese Anforderungen werden in idealer Weise von den im gM-Ingenieurbüro entwickelten und angewendeten Textilpassivsammlern (TPS) erfüllt:
Die TPS enthalten als Sorbens ein Aktivkohlefaservlies mit einem Faser-Durchmesser von ca. 10 µm. Die TPS sind auf Grund ihrer Sorbenseigenschaften für die Untersuchung von lipophilen Stoffen geeignet, also jene Problemstoffe, die bei der Mehrzahl der Grundwasserschäden auftreten. TPS enthalten ausschließlich Materialien, die von den im Grundwasser wirksamen Chemikalien, Säuren, Laugen, Oxidationsmitteln, Reduktions-mitteln und Mikroben nicht angegriffen werden. TPS sind ein exklusiv für gM-Ingenieurbüro patentiertes Produkt.
Die sorptionsaktiven Poren der TPS-Aktivkohlefasern liegen an ihrer Oberfläche. Im Gegensatz zu granulierter Aktivkohle wird dadurch der schnellst-mögliche Diffusionsübergang der Stoffe aus der flüssigen Phase in die sorbierte Phase erzielt. Gleichzeitig gestattet dies die schnellst-mögliche quantitative Desorbierbarkeit bei der Extraktion zur Analyse, die eine hohe Wiederfindungsrate dann gewährleistet, wenn der TPS mit adäquaten lipophilen Lösungsmitteln desorbiert wird.
Das lockere Aktivkohlefaservlies des TPS bietet nur geringen hydraulischen Widerstand. Es ist auf eine zylindrische mikrobiologisch inerte Siebfläche gespannt, die koaxial im Rohr der Messstelle angeordnet wird. Dadurch ist gewährleistet, dass das Grundwasser den TPS immer in gleichartiger Position anströmt.
Mit einem Sorbens-Flächengewicht von ca. 170 g/m² bei einer inneren Oberfläche von >1000 m²/g hat der TPS ausreichende Sorptionskapazität für lipophile Stoffe, um auch in hoch mit KW, Aromaten, PAK, CKW, Nitroaromaten, Phenolen oder aromatischen Aminen belastetem Grundwasser über die Dauer eines Monat die notwendige Nicht-Gleichge-wichts-Sammelfunktion im Aquifer aufrecht erhalten zu können.
Zur Durchführung der Untersuchung werden die TPS in vorbestimmter Anzahl und Position koaxial an geeigneten Tragkordeln im Messstellenrohr angeordnet.
Die Aktivkohlefaservlies-Sorbensschicht der TPS ist durch ein aufgenadeltes ebenfalls hydraulisch hochdurchlässiges, gegen die Grundwasserinhaltsstoffe und mikrobiellen Abbau beständiges Synthetikfaservlies geschützt. Dadurch erhält der TPS eine robuste Oberfläche mit hoher Schutzfunktion gegen mechanische Zerstörung der Sorbensschicht. Gleichzeitig dient die Polyesterfaservliesabdeckung als elektrischer Isolator und verhindert den elektrischen Kontakt zwischen Aktivkohlefasern und Aluminiumverpackung bei der Verschickung. Das verhindert die galvanische Reduktion der im reduzierenden Milieu zersetzlichen sorbierten Stoffe, wie z. B. Nitroaromaten und CKW, durch die Alu-Folie. Die Verpackung mit Aluminiumfolie dient auf dem Weg zur Analyse als Oxidationsschutz gegen ungehinderten Sauerstoffzutritt und verhindert die Desorption der flüchtigen Sorbensbeladung.
Der TPS hat eine Abmessung von ca. 7 cm x 12 cm. Der aus der Messstelle entnommene TPS wird vom Träger abgenommen, nass in vorbereitete Alu-Folie eingeschlagen und in Plastikfolie eingetütet per Kurier oder mit Express-Post zur Analytik versandt. Die Standard-TPS lassen sich in Messstellen mit lichten Weiten von größer 50 mm einsetzen. In Messstellen mit Nennweiten von 50 mm und kleiner können TPS-Sonderanfertigungen eingesetzt werden.
Zur Entfernung des am TPS adhärierenden Wassers vor der Stoffextraktion lassen sich die in Alu-Folie verpackten TPS mitsamt der Verpackung mit einer Nadelwalze perforieren. Adhärierendes Wasser kann dann durch Zentrifugation des TPS abgeschleudert werden. Verluste lipophiler Stoffbeladung treten dabei nicht ein.
Zur quantitativen Extraktion der lipophilen Stoffbeladung auf den TPS zwecks analytischer Bestimmung werden Lösungsmittel aus den Gruppen halogenorganische LM, Aromatische Kohlenwasserstoffe, Pyridin, Benzylalkohol, Schwefelkohlenstoff mit hoher Lösungskapazität für lipophile Stoffe empfohlen. Für die Extraktion sauer reagierender Aromaten wie z. B. Phenol, können alkalische Desorptions-mittel eingesetzt werden, für die Extraktion alkalisch reagierender Aromaten wie z. B. Pyridin saure Desorptionsmittel.
Speziell dann, wenn in der Grundwassernessstelle das Vorkommen Redox-Milieu-sensitiver Stoffe und ihrer Metaboliten bestimmt werden soll, wird empfohlen, mehrere TPS kombiniert mit gM-Redox-Milieu-Detektorband (RMD) in der Grundwassermessstelle einzusetzen, so dass gleichzeitig die vertikale Lage der Redox-Milieu-Zonierung im Porenwasser des belasteten Aquifers optisch bestimmt werden kann. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Redox-Milieu-Zonierung im belebten Aquifer markant mit der Zonierung seiner Belastung durch oxidierbare Schadstofffracht korrelliert2). Bei den Redox-Milieu-sensitiven Stoffen handelt es sich neben Schwefel, Eisen und Mangan auch um organische Stoffe aus den Gruppen der halogenorganischen Stoffe und der Nitroaromaten, die unter jeweils geeigneten anaeroben Redox-Milieubedingungen typische Dehalogenierungsprodukte und Hydrierungsprodukte als Metaboliten mikrobieller Stoffwechselaktivitäten bilden. Mit den TPS kombiniert mit RMD kann das jeweils milieubezogene Spektrum dieser organischen Stoffe und ihrer Metaboliten mit höchster Auflösung im Aquifer lokalisiert und präzise mit dem jeweils vorliegenden Redox-Milieu korrelliert werden.
Beide Untersuchungssysteme, TPS und RMD sind dazu derart ausgelegt, dass für beide Systeme die jeweils optimale Untersuchungsdauer ein Monat beträgt.
Anmerkungen
- Biofilme bestehen aus mikobiellen Lebensgemeinschaften. Sie bilden sich auf jeglichen belebten festen Substraten im Kontakt mit der Wasserphase, die oxidierbare Substanz und Sauerstoff bzw. anaerobe Oxidationsmittel nebeneinander enthält. Im Abwasserfach sind die Biofilme unter dem Synonym „Sielhaut“ als Ursache der Zersetzung, Korrosion und Zerstörung von Bausubstanz bekannt. Im Vergleich dazu sind Grundwasserleiter dadurch ausgezeichnet, dass ihr Verhältniswert feste wasserberührte Oberfläche zu Wasservolumen gegenüber den Oberflächengewässern um mehrere Größenordnungen höher ist. Biofilme spielen daher hier eine ungleich bedeutendere Rolle. In den Schadstoff-belasteten Grundwasserleitern wirken die Biofilme sehr wünschenswert, da letztlich durch ihre Wirkung die Schadstoffe mineralisiert bzw. zu Wasser, CO2 und ggf. Chlorid abgebaut werden. Entsprechend den Abwasser-Sielhäuten sind auch Biofilme im belasteten Grundwasserleiter oft durch ein von der freien Porenwasserphase abweichendes Redox-Milieu ausgezeichnet: So kann im Biofilm methanogenes Milieu vorliegen, während im freien Porenwasser Sulfat ggf. sogar Nitrat und O2 enthalten sein kann.
- M. Weede, P. Martus, P. Blum, F.D. Oeste, R. Melzer: Validierung redoxsensitiver Bänder – ein innovatives Verfahren zum Langzeitmonitoring von Schadstofffahnen; Symposium „Strategien zur Boden- und Grundwassersanierung“ 24.-25. November 2008, DECHEMA-Haus, Frankfurt am Main; Tagungshandbuch, pp. 25-26